Veranstaltungskalender

Galerie


Facebook



Usbekistan - Land des Feierns

Ein Leben für, von und wegen Hoch-Zeiten

Das usbekische Wort „to‘y“ bezieht sich nicht nur auf die Hochzeit im engeren Sinne, sondern auf viele Feste zu Lebensereignissen, die alle ähnlich und prunkvoll gefeiert werden. To‘ys besitzen als zentrales Ereignis im Leben der Menschen Usbekistans eine besondere Bedeutung. So sagt man: Usbeken leben für, bis, auf, von, wegen toys. Ob es sich um die Geburt eines Kindes, die Beschneidung eines Jungen, die Vermählung oder das Erreichen des 63. Lebensjahres handelt – jedes dieser Ereignisse wird überaus prunkvoll gefeiert. Nach wie vor gelten toys als beliebteste und wohl wichtigste Feste bei der Bevölkerung. Sie bilden eine Komposition von Bräuchen, die sich sowohl aus archaischen Formen des Knüpfens von Verwandtschaftsbeziehungen und der Berücksichtigung wirtschaftlicher Faktoren, als auch aus zeitgemäßen gesellschaftlichen Einflüssen speisen. Als ein Spiegelbild der usbekischen Gesellschaft in der Gegenwart treffen dabei traditionelle und moderne Faktoren aufeinander. So sind Zeremonien wie das Läuterungsfeuer, die Beräucherung mit besonderen Kräutern, das Spiegelsehen, die Bewirtung mit Eiern und Granatäpfeln sowie der Fackelzug Bestandteile des alten Brauchtums. Das Feiern in Restaurants anstatt auf dem eigenen Hof wie früher gilt heutzutage als Modernisierungstrend bzw. zeitgenössische Abwandlung.

Beschik toy (Wiegenfest)
Das Wiegenfest feiert man in der Regel kurz nach der Geburt in der Familie. Zwar ist das ein rein familiäres Fest, es können dennoch zuweilen Hunderte von Gästen kommen. Die Großmutter des Neugeborenen mütterlicherseits bringt eine prachtvoll eingerichtete Wiege samt Drum und Dran, Kleidungsstücke, Spielzeug usw. Im Allgemeinen wird das Wiegenfest von den weiblichen Familienmitgliedern geplant und abgehalten, an denen auch deren Kinder teilnehmen. Insofern ist das ein reines Frauenfest, sondern neben den traditionellen Glückwünschen zur Geburt eines indes ist es eine Erfahrungsaustausch in der Kindererziehung. Die älteren Damen zeigen bzw. geben der jungen Mutter Ratschläge und Anweisungen für das Kind. Das Fest beginnt mit dem „Aufdecken“ der Wiege und erreicht nach verschiedenen Szenen, in denen Lieder, Witze und Segenssprüche nachfolgen, den Höhepunkt mit dem Einbetten des Säuglings in die Wiege und dem rituellen Wiegenlied „Alla“, das von der jungen Mutter gesungen wird. Selbstverständlich sind ein brechend voll gedeckter Tisch samt 4 gängigem Menü, sowie feierliche Musikbegleitung und glücklicher Stimmung mit Tanzen die unverzichtbaren Bestandteile eines eigentlich relativ biederen Festes.
Sunnat toy (Beschneidungszeremonie)
In Usbekistan werden nur die Männer beschnitten. Diese Form der Feier wird in letzter Zeit deutlich weniger abgehalten, obschon sie eine sehr alte Tradition ist. Sunnat Toy feiert man derzeit nicht unmittelbar am Tag der Beschneidung wie früher (heute werden die Jungen ausschließlich von einem Arzt in der Klinik beschnitten), sondern zu einem den Eltern passenden Zeitpunkt. Diese Zeremonie nennt man manchmal auch Fohlenfest und kann auf wesentliche Einflüsse nomadischer Sitten zurückgeführt werden, weil bei den Nomaden dem beschnittenen Junge laut Tradition ein Fohlen geschenkt wurde. Heutzutage ist eine Sunnat Toy eine eher seltene Feier im Alltagsleben, wird jedoch auf dem Lande häufiger gefeiert. Zum Beschneidungsfest laden die Eltern des/der Jungen die ganze Nachbarschaft und Verwandtschaft ein. Ein extravagantes Fest wird in der Regel zu Hause auf dem Hof oder in einem großen Gebäude mit großer Pracht, lauter Musik und feierlichem Essgelage abgehalten. Die Gäste bringen bunte Geschenke mit, und die aufwendige Zeremonie dauert einen Tag. Die kleine „Ursache“ dieser üppigen Feierlichkeit ist Anlass, den Jungen wie einen Prinzen zu behandeln. Zudem wird dieses „Fohlenfest“ von diversen Spielen, Wettkämpfen und Shows begleitet, in denen das Reiten eines prachtvoll ausgeschmückten Pferdes (Fohlens) vom Festkind als absoluter Höhepunkt wahrgenommen wird.
Mutschal toy (Erreichen des 12. Lebensjahres)
Diese Form der toy wird von den Eltern mit dem Eintritt ins 12. Lebensjahr für das Geburtstagskind (egal ob Mädchen oder Junge) organisiert. 
Die Festlichkeiten finden überwiegend unter freiem Himmel, in Gärten, auf Wiesen, am Bach oder in der Steppe statt. Daran beteiligt sind hauptsächlich Kinder und Altersgenossen aus der Nachbarschaft. Sie spielen, tanzen, wetteiferen, singen oder erzählen Geschichten und Gedichte unter Anleitung eines erwachsenen „Moderators“. Daraufhin kehren die Kinder nach Hause zurück, und die Familienangehörigen schließen sich dem Fest an. Bei einer Festmahlzeit finden Spiele und Aufführungen mit Folkloreelementen mit Kinderbeteiligung statt. Das Geburtstagskind bekommt viele Geschenke und Süßigkeiten von den Gästen. Allerdings wird diese toy heutzutage nicht überall begangen.
Bunte Verschmelzung des Altertums mit der Moderne
Es gibt noch einige nicht „unverzichtbare“ toys oder ähnliche Feierlichkeiten, wie Tom-toy (Einzug ins neue Haus), das Erreichen von runden Lebensaltern (Jubiläen) – insbesondere 63 (Alter des Propheten) – sowie nach erfolgter Mekka-Pilgerfahrt, welche je nach individueller Entscheidung und finanzieller Situation der Familie in bestimmter Form bzw. Umfang zelebriert werden können. Wie gesagt, Usbekistan gilt als Land der ständigen Feiern und Zeremonien. Schon mit der Geburt werden sie für jeden Bestandteil des Lebens, und mitunter nehmen selbst die Trauer-, Gedenk- oder Geburtstagsfeier hochzeitsmäßige Dimensionen mit oft ein paar Hundert Gästen an. Eine Einladung von Usbeken zu einer solchen Feier darf man nicht zurückweisen; ja, sogar jede(r) Vorbeigehende wird mitgerissen bzw. mithineingenommen. Auch wenn Sie in Usbekistan zufällig eine Hochzeit vorbeigehen sehen, dann seien Sie sicher, dass Sie dort bereits eingeladen sind! Über den absoluten Superlativ usbekischer Hochzeiten - Nikoh toy (Vermählung, Heirat) - wird unser nächster Artikel ein umfassendes Bild liefern.