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Samarkandisches Papier

Samarkandisches Papier Eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit, die große Seidenstraße, gab im Laufe der Jahrhunderte der Kultur entscheidende Impulse und transportierte wichtige Ideen und Erfindungen in die ganze Welt. Auf den goldenen Blättern der Geschichte hinterließ sie eine unauslöschbare Spur. So berühmt wie das Porzellan, die Seide Chinas und die indischen Gewürze auf den Handelsrouten der Seidenstraße waren, so begehrt war auch das legendäre Papier Samarkands. 

Womit alles angefangen hatte
Im Juli 751 waren chinesische Kriegssoldaten über den Fluss Talas (auf dem heutigen Territorium Kirgisiens) in der Nähe der Stadt Jambul in Zentralasien eingedrungen. Abu Muslim, der damalige Regent der Stadt Samarkand, schickte seine Krieger gegen den unerwarteten Feind, siegte und kehrte mit über 20 000 chinesischen Kriegsgefangenen nach Samarkand zurück. Um ihr eigenes Leben zu retten, verrieten die chinesischen Gefangenen, die in ihrer Heimat als Handwerker tätig gewesen waren, den samarkandischen Handwerkern das Geheimnis der Papierherstellung und brachten ihnen das Handwerk bei. Von da an begann man, in Samarkand Papier herzustellen. Im IX. Jh. wurde dieser Zweig zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Stadt Samarkand. Allmählich eroberte das samarkandische Papier sämtliche Märkte von Orient und Okzident. In der gesamten orientalischen Welt begann man die samarkandischen Papiere wie ägyptisches Pergament zu verwenden. Dass im IX-X. Jahrhundert die meisten Werke und historischen Manuskripte auf in Samarkand produzierten Papieren geschrieben wurden, ist dafür ein schlagendes Beispiel.
Die samarkandischen Handwerker, die im Laufe von tausend Jahren ihre Tätigkeit zu einer erlesenen Kunst herangebildet hatten, erfanden die Technologie zur Herstellung eines der auf der ganzen Welt dünsten, glattesten und haltbarsten Papiere, das man auf beiden Seiten mit Tinte beschreiben konnte, ohne dass diese vom Papier angesaugt wurde. Während sich das weiße Papier, «Das Samarkand Sultan Papier», durch seine Dünnheit, Glattheit und Weichheit von den anderen Papiersorten auszeichnet, ist «Das Samarkand Seidenpapier» von Qualität her auch nicht schlecht, nur hat es eine kandisgelbe Farbe. Das «Mir Ibrohim» - Papier weist weiße, runde Tropf-Spuren auf und die Sorte «Nimkanop» zeigt eine bräunliche Farbe, weil sie aus Seidenresten, gemischt mit Rindenfasern, hergestellt wird. Bei der Anfertigung diese Papiersorten nimmt man als Rohstoff Baumwolle, Seide und die Rinde eines Maulbeerbaums der «Morus alba» - Sorte. Während mehrerer Jahrhunderte waren am Fluss Siyob ca. zweitausend Wassermühlen in Betrieb und mehr als 400 davon eigneten sich für die Herstellung des Papiers.
Herausragender Fortschritt
Die Gelehrten, Historiker und Reisenden, die nach Samarkand kamen, wunderten sich immer über die Qualität und die Haltbarkeit dieses Papiers. Als Belege dafür sollen Berichte über das Samarkand Papier verschiedener Historiker und Schriftsteller dienen.
Laut den Angaben des arabischen Historikers Al-Makdisiy (X. Jh.) galten die Pfeile, die in Choresm hergestellt wurden, die Keramikschüsseln aus Taschkent und das samarkandische Papier entlang der Seidenstraße als berühmteste und wertvollste Produkte, die sich am besten verkauften. Von diesem Papier berichtete der timuridische Nachkomme Babur, der in Indien das baburidische Reich gegründet hatte, in seinem bekannten Werk «Baburnama» Folgendes: «Auf der ganzen Welt wird in Samarkand das beste Papier produziert. Es wird in der Wassermühle Konigil, die sich am Fluss Siyob befindet, hergestellt. Dieses Wasser nannte man auch Obi Rahmat». Nach der Beschreibung des persischen Historikers Abu Mansur Saalibi (X. Jh.) war das Papier aus Samarkand von der Qualität her weit besser als das ägyptische Pergament. mit Es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht. Der berühmte persische Kalligraph Sultonali Maschhadiy (XV.- XVI. Jh.) empfahl Papier aus Samarkand zu arbeiten: «Das samarkandische Papier ist sehr gut! Wenn du klug bist, lehne dieses Papier nicht ab: Die Schrift auf dem samarkandischen Papier ist gleichmäßig und schön…». Der berühmte Orientalist und Sprachwissenschaftler Arminius Vambery, der im Jahre 1863 nach Zentralasien kam, beschrieb das samarkandische Papier mit folgenden Zeilen: «Das Papier, das in Buchara und Samarkand produziert wird, hat in ganz Turkestan und in den benachbarten Ländern einen guten Ruf erworben».
Der russische Archäologe V.Vjatkin, der Anfang des XX. Jahrhunderts in Usbekistan lebte und bei vielen historischen Objekten Ausgrabungen durchführte, schrieb folgendes: «Samarkand ist durch seine seltenen Papiere weltweit bekannt, die man in großen Mengen in verschiedene Länder liefert.»
Während der Herrschaftszeit Emir Timurs (XIV. - XV. Jh.) wurde die Papierherstellung zu einem der wichtigsten Handwerkszweige des Landes. Bis Anfang des XVIII. Jahrhunderts waren in Samarkand und in seiner Umgebung etwas 42 Manufakturen im Betrieb. Später verbreitete sich dieser Handwerkszweig in den anderen Gebieten des Landes wie Kokand, Buchara und Taschkent. Nach dem Kollaps des timuridischen Reiches begannen Kriege unter den örtlichen Regenten. Das Land wurde ständig von verschiedenen Invasoren angegriffen. Infolgedessen geriet der Staat in eine Wirtschaftskrise und viele Handwerkszweige gingen in Samarkand zu Grunde. Die Handwerker zogen in friedliche Orte wie Kokand (im Dorf «Qogozgir und Tschorku») um. Danach wurde die Stadt Kokand zu einem der wichtigsten Zentren der Papierherstellung. Diese Tradition dauerte bis zum Jahr 1930 an.

Papiermanufaktur «Konigil-Meros»

Im Jahre 1995 fand in der Stadt Kogon, im bucharischen Gebiet eine internationale Konferenz der UNESCO zum Thema «Erhalt der historischen Sehenswürdigkeiten» statt. Während dieser Veranstaltung wurde die Aufmerksamkeit auf die Entwicklung des alten Volkshandwerkes gelenkt, das langsam ausstirbt. Daran beteiligte sich neben den Handwerkern aus verschiedenen Gebieten und Städten Usbekistans auch Zarif Muchtorov aus Samarkand mit einem Projekt über die Wiederherstellung des im ganzen Orient berühmten und begehrten samarkandischen Papiers, welches als Handwerk im Laufe der Jahrhunderte bereits verschwunden war. Zarif Muchtorov, ein Nachfolger einer berühmten Handwerkerfamilie aus Samarkand, nahm sich vor, diese Art der angewandten Kunst in seinem Haus wieder auf die Beine zu stellen. Dazu musste er lange in Bibliotheken in historischen Texten und Urkunden recherchieren. 

Auch bereiste er viele Papiermanufakturen der Welt, um diese Technik hautnah kennenzulernen.
Nach langen, eifrigen Forschungen in den Jahren zwischen 1995 und 2002 eignete er sich das Geheimnis der Kunst der Papierherstellung komplett an und gründete das Handwerkszentrum «Konigil-Meros» (Papiermanufaktur) in der wunderschönen Gegend des Dorfes «Konigil» am Fluss Siyob mit Unterstützung der usbekischen Regierung, der UNESCO und der internationalen Agentur «JEIKA» aus Japan. Heute wird in dieser autarken Papiermanufaktur aus der Rinde der im ganzen Zentralasien verbreitete Maulbeerbaumsorte «Morus alba», vom Volk «Maulbeerfrucht Balchi» genannt, das Samarkandpapier hergestellt.
Wie in allen Bereichen gibt es auch in diesem Handwerk eigene Schwierigkeiten und Erfolge. Um dieses Papier zu produzieren, weicht man die Äste des Maulbeerbaums einige Tage in Wasser ein. Danach entrinden man sie, um anschließend den bräunlichen Teil mit dem Messer abzutrennen. Die gelben Rinden kocht man fünf- bis sechs Stunden lang in einem großen Kessel. Dann lässt man in einem großen Mörser von einem Balken, der von einem Schlagwerk angetriebenen wird, sieben- bis acht Stunden lang die Rinden zerstampfen lassen, bis die Masse ganz weich und faserig wird.
Als nächstes wird dieser Brei mit Wasser vom Fluß Siyob in einer großen Schüssel verrührt. Nun schöpft man das Papier mit einem Rahmen aus der Schüssel. Etwa 8-10 stundenlang muss man die nassen Papiere in einer hölzernen Presse in Form bringen und danach an ein glattes Brett oder an eine Fensterscheibe kleben. Zum Schluss wird das Papier auf einem Marmorstein mit einer Muschel oder einem Achatstein geglättet. Auf diese Weise entsteht das samarkandische Papier.
Wertvolles Produkt
Selbstverständlich erhebt sich die Frage, ob es überhaupt nötig ist, heute, im Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution, unter so strapaziöse Bedingungen Papier mit der Hand herzustellen. Aber das samarkandische Papier, das vor tausend Jahren entlang der Seidenstraße als begehrtestes Gut von Karawanen in viele ferne Länder transportiert wurde, wird als wertvolles Produkt bis heute nicht nur von usbekischen Malern und Kalligraphen häufig verwendet, sondern es werden damit auch historische Manuskripte und Werke sowohl in Usbekistan als auch in Japan restauriert.
Heute sind in diesem autarken Handwerkszentrum «Konigil-Meros» unter der Leitung von Zarif Muchtorov auch Jugendliche aus der Gemeinde tätig. In dieser Papiermanufaktur, die sich am Rande der Stadt befindet, wurde aus Hochachtung vor unseren traditionellen Werten diese fast vergessene Kunst der Herstellung des samarkandischen Papiers wieder auf die Beine gestellt, wie unsere Vorfahren vor tausend Jahren auch ihre Kunst der Welt präsentierten. Und das ist wirklich eine lobenswerte Leistung und löst bei allen internationalen Gästen großes Interesse aus.