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Ibn-Sina der bekannteste Universalgelehrte des islamischen Orients

Abu-Ali Abdallah ibn Ismail ibn Sina (um 980 in Afschana bei Buchara geboren; im 1037 bei Hamadan gestorben) – verkürzter Name Ibn Sina, latinisiert Avicenna – war ein multilateraler Arzt, pragmatischer Wesir, begeisterter Physiker, hervorragender Philosoph, Mathematiker, Astronom, Alchemist und Musikant. Ibn Sina ist der Autor von ausschlaggebend wichtigen Büchern über Medizin; „Qanun at-Tibb“ (Kanon der Medizin) und „Kitab asch-Schifaa“ (Buch der Heilung), die ihre Aktualität mit Verlässlichkeit bislang kaum verloren haben. Er zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten in der Wissenschaftsgeschichte. Aufgrund einiger seinen philosophischen Ausarbeitungen wird er mitunter als Mystiker oder gar Agnostiker bezeichnet. In der westlichen Welt gilt er schlechthin als der bekannteste Gelehrte des islamischen Orients.


Kindheit und Ausbildung

Ibn Sina ist in der Familie eines Steuereintreibers im Dorf namens Afschana bei Buchara (heute Usbekistan) zur Welt gekommen. Bald darauf ist die Familie im Zuge einer Anstellung des Vaters Anstellung in die Hauptstadt – Buchara - umgezogen. In der großen Stadt hatte Ibna Sina großzügige Möglichkeiten für sein Hauptinteresse – dem Erlernen gefunden. Da seine Muttersprache Persisch war, lernte er zuerst Arabisch, die damalige Wissenschaftssprache. Bereits im Alter von zehn Jahren konnte er den Koran auswendig und hatte viele Werke der Literatur studiert und sich dadurch die Bewunderung seiner Umgebung erworben. Während der nächsten sechs Jahre studierte er autodidaktisch die Rechte (Jura), Philosophie, Logik, sowie fast alle Werke von Euklid und den Almagest. Von einem gelehrten Gemüsehändler lernte er indische Mathematik und Algebra. Er wandte sich im Alter von 17 Jahren der Medizin zu und studierte sowohl ihre Theorie als auch ihre Praxis. Er beschrieb die Heilkunst als „nicht schwierig“. Ibn Sina vertiefte sich auch in metaphysische Probleme, besonders in die Werke des Aristoteles, wobei ihm die Schriften von al-Farabi besonders halfen.

Da er sich im Alter von 18 Jahren bereits einen Ruf als Arzt erarbeitet hatte, lud ihn der samanidische Herrscher Nuh-ibn-Mansur (976–997) in seinen Hof ein. Dort wurde ihm die Erlaubnis zu teil, die königliche Bibliothek mit ihren seltenen und einzigartigen Büchern zu nutzen. So gelang es ihm, im Alter von 21 Jahren sein erstes Buch zu verfassen.
Die fruchtbaren Wanderjahre

Ibn Sina verlor 1002 seinen Vater und 1005 mit dem Ende der Samaniden Dynastie seine Anstellung am Hofe. Er wanderte über Nischapur und Merv nach Chorezmien aus. Bei der Wanderung durch verschiedene Städte Chorezmiens kam er noch 1013 nach Gorganj (arabisch: Dschurdschaniya). Anzogen hatte ihn der Ruhm des dortigen Herrscher Qabus, der als Förderer der Wissenschaft galt. In Gorganj hielt Ibn Sina die Vorlesungen in Logik und Astronomie, schrieb den ersten Teil des Qanun und traf mit seinem Schüler zusammen al-Dschuzdschani, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte.

Infolge politischer Verwirrungen verlässt Ibn Sina Gorganj und begibt sich nach Rayy, wo er eine medizinische Praxis gründet und 30 kürzere Werke verfasst. Als Rayy belagert wurde, floh er wiederum, dieses Mal nach Hamadan. Dort behandelte er die Ehefrau eines Regenten, wurde hiernach der Leibarzt und medizinischer Berater vom Fürst Schams ad-Daula und stieg schließlich sogar zu dessen Großwesir auf. 

Eine Meuterei von Hofleuten führte zu seiner Absetzung und Verhaftung. Doch als der Emir einst an einer heftigen Kolik litt, wurde Ibn Sina zur Behandlung herangezogen und nach erfolgreicher Heilung freigelassen und wieder in sein altes Amt eingesetzt. Sein Leben in jener Zeit war äußerst anstrengend: Tagsüber war er mit Diensten für den Emir beschäftigt, während er einen großen Teil der Nächte mit Vorlesungen und dem Diktieren von Notizen für seine Bücher verbrachte. Studenten sammelten sich in seinem Haus, um Ausschnitte aus seinen zwei Hauptwerken zu lesen, dem Kitab asch-Schifa und dem Qanun.
Kurzes Leben in Fülle
Nach dem Tod vom Schams ad-Daulas (1021) bot Ibn Sina dem Emir von Isfahan – Ala ad-Daula seine Dienste an. Er verbrachte seine letzten Jahre im Dienst dieses Emirs, den er in wissenschaftlichen und literarischen Fragen beriet. Freunde und Schüler rieten ihm inständig an, sich zu schonen und ein gemäßigtes Leben zu führen, aber das wies Ibn Sina mit äußerster Strenge zurück: „Ich habe lieber ein kurzes Leben in Fülle als ein langes Leben in leerer Hülle “ antwortete er. Erschöpft durch seine harte Arbeit und sein aussergewöhnliches Leben starb Ibn Sina im Juni 1037 im Alter von 57 Jahren vermutlich an der Ruhr (Dysenterie). Manche Quellen behaupten, dass Ibn Sina an Überdosis eines Medikaments gestorben sei. Er wurde in Hamadan begraben, wo heute über seinem Grab ein Mausoleum ruht.
Ibn-Sinas Bücher und Abhandlungen

Der Qanun at-Tibb (Kanon der Medizin) ist das bei weitem berühmteste von Ibn Sinas Werken. Er vereint griechische, römische und persische Heilkunst – Traditionen. Das Werk ist mehrfach unterteilt: a) Allgemeine Prinzipien (Theorie der Medizin), b) Alphabetische Auflistung von Medikamenten (Arzneimittel und ihre Wirkungsweise), c) Krankheiten, die nur spezielle Organe betreffen (Pathologie und Therapie), d) Krankheiten, die sich im ganzen Körper ausbreiten (Chirurgie und Allgemeinkrankheiten). Im Qanun wird beschrieben, dass deie Schwindsucht ansteckend und dass Krankheiten von Wasser und Erde übertragen werden können. Er gibt eine wissenschaftliche Diagnose von Hakenwurmbefall und beschreibt die Bedingungen des Auftretens von Eingeweidewürmern. Der Qanun behandelt die Wichtigkeit von Diäten, den Einfluss des Klimas und der Umwelt auf die Gesundheit und den chirurgischen Gebrauch von oraler Anästhesie. Des Weiteren wird die Augenanatomie ausführlich erörtert und es werden verschiedene Augenkrankheiten (wie Katarakt) beschrieben. Außerdem werden Symptome ansteckender und sexuell übertragbarer Krankheiten genannt sowie auch diejenigen von Diabetes mellitus. Das Herz wird als Pumpe aufgefasst.

Die Materia Medica („Medizinisches Material“) des Qanun enthält 760 Medikamente mit Angaben zu deren Anwendung und Wirksamkeit. Ibn Sina war der erste, der Regeln aufstellte, wie ein neues Medikament zu prüfen sei, bevor es Patienten verabreicht wird.

Ibn Sina beschrieb zudem die enge Beziehung zwischen Gefühlen und dem körperlichen Zustand und befasste sich mit der positiven physischen und psychischen Wirkung der Musik auf Patienten. Zu den vielen psychischen Störungen, die er im Qanun beschreibt, gehört auch die Liebeskrankheit. Im 12. Jahrhundert wurde der Kanon von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt. Das Werk, von dem 1470 im gesamten Abendland 15–30 lateinische Ausgaben existierten, galt bis ins 17. Jahrhundert als wichtiges Lehrbuch der Medizin. Neben dem Kanon gibt es noch 15 medizinische Werke Ibn Sinas, von denen acht in Versen geschrieben sind. Sie enthalten unter anderem die 25 Zeichen der Erkennung von Krankheiten, hygienische Regeln, nachgewiesene Arzneien, anatomische Notizen. Unter seinen Prosa-Werken findet die Abhandlung über Herzmedikamente besondere Beachtung.
Über Naturwissenschaft

Ibn Sina beschäftigte sich auch mit anderen Naturwissenschaften. In der Astronomie arbeitete er seinem Schüler al-Juzjani zufolge an Ptolemäus’ Sternenmodell und vermutete, dass die Venus der Erde näher stehe als die Sonne. Die Astrologie lehnte er ab, weil ihre Brauchbarkeit nicht empirisch nachweisbar und sie mit der islamischen Theologie unvereinbar sei. Als Chemiker erfand er die Wasserdampfdestillation, um Öle zu erzeugen. Andererseits stand er der damaligen Chemie, der Alchemie, relativ skeptisch gegenüber und glaubte nicht an einen Stein der Weisen. In der Geologie gab er die Ursachen für die Entstehung von Bergen an: Auch in der Physik war Avicenna vielfältig tätig; so verwendete er Thermometer, um die Temperatur bei seinen Experimenten zu messen, und stellte eine Theorie über Bewegung auf. Darin befasste er sich mit der Kraft und der Bahnneigung eines Geschosses und zeigte, dass ein Geschoss sich in einem Vakuum ewig fortbewegt. In der Optik argumentierte er, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich sei und gab eine Beschreibung dem Regenbogen.

Über Philosophie

Ibn Sina beschäftigte sich ausgiebig mit philosophischen Fragen, sowohl mit Metaphysik als auch mit Logik und Ethik. Seine Kommentare zu Werken des Aristoteles enthielten konstruktive Kritik an dessen Auffassungen und schufen Voraussetzungen für eine neue Aristoteles-Diskussion. Ibn Sinas philosophische Lehren werden sowohl von westlichen als auch von muslimischen Forschern als weiterhin aktuell eingeschätzt. Ibn Sina widmete sich der Logik sowohl in islamischer Philosophie als auch in Medizin mit großer Hingabe und entwickelte sogar ein eigenes logisches System, das auch als „Avicennische Logik“ bezeichnet wird. Ibn Sina war wohl einer der ersten, die es wagten, Aristoteles zu kritisieren und von ihm unabhängige Abhandlungen zu verfassen. Besondere Kritik erhielt die Schule von Bagdad von ihm, da sie sich zu sehr auf Aristoteles begründete. Während westliche Wissenschaftler ihn oft als Rationalisten in der Nachfolge von Aristoteles sehen, neigen muslimische Forscher eher dazu, ihn als Mystiker zu betrachten.

Sein wissenschaftliches Erbe der Nachwelt
Ibn Sina schrieb seine frühesten Arbeiten in Buchara unter dem Einfluss von al-Farabi. Das erste, ein "Kompendium über die Seele" (Maqala fi ’n-nafs), ist eine kurze Abhandlung, die er den samanidischen Herrschern widmete und in der er sich mit neuplatonischem Gedankengut beschäftigte. Nach seinem Aufbruch aus Buchara verfasste Ibn Sina weitere philosophische Werke, darunter das "Buch der Heilung"(arabisch: Kitab asch-Schifa), eine wissenschaftliche Enzyklopädie. Trotz des irreführenden deutschen Titels handelt es nicht hauptsächlich von Medizin. Die Bedeutung des arabischen Titels ist etwa „Angemessenheit“. Das Buch behandelt Arithmetik, Astronomie, Geometrie, Logik, Musik, Naturwissenschaften, Philosophie und Psychologie. Es wurde sowohl von hellenistischen Denkern wie Aristoteles und Claudius Ptolemäus als auch von muslimischen Wissenschaftlern wie al-Farabi und al-Beruniy beeinflusst. Das zweite war das „Buch des Wissens für Ala ad-Daula“, in dem er seinem Gönner eine Zusammenfassung seiner Philosophie auf der Grundlage des „Buchs der Heilung“ bietet. Avicenna verfasste außerdem das „Buch der Ratschläge und Erinnerungen“ (Kitab al-Ischarat wa-t-tanibihat), ein Werk, das sein Denken über eine Vielzahl von logischen und metaphysischen Themen vorstellt. Ein anderes Werk ist „Das Urteil“ (al-Insaf), das sich von den anderen Arbeiten durch seine Radikalität und seine Vermischung von aristotelischem Gedankengut und Neuplatonismus unterscheidet. Sein letztes Werk ist „Die östliche Philosophie“ (al-Hikma al-maschriqiya), das er in den späten 1020ern schrieb; es ist leider verloren gegangen.
Ibn Sina heute

Heutzutage in Usbekistan genießt der Universalgelehrte eine grenzlose Hochachtung und Popularität. In seinem Geburtsort – dem Dorf Afschona bei Buchara - gibt es ein ganz interessantes Museum über den legendären Medikus, viele Medizinischen Hochschulen und medizinische Lehranstalten sind nach ihm benannt, sowie die renommierten Kliniken des Landes tragen zu Recht mit Stolz seinen Namen. Seit Anfang 2000 arbeitet die internationale „Aviecenna“ Stiftung und fördert ganze Reihe Projekte in Medizin, Weiterbildung, Entwicklungshilfe sowie Forschung und Veröffentlichung seines geistig- historischen Erbe.